Datenbank soll Schmerztherapie optimieren

 

(Ärzte Zeitung vom 19. Juni 2007)

Schmerzforscher planen ein Register zu Typen neuropathischer Schmerzen / Testprogramm mit 1500 Patienten

BERLIN (gvg). Ein ehrgeiziges Projekt haben Schmerzforscher – wie gemeldet – beim 2. Internationalen Kongress zum neuropathischen Schmerz in Berlin skizziert: Mit einer internationalen Datenbank sollen Kategorien des Nervenschmerzes ermittelt werden. Ziel sind maßgeschneiderte Therapien für unterschiedliche Schmerztypen.

Das Projekt soll aufbauen auf den bisherigen Arbeiten des Deutschen Forschungsverbunds Neuropathischer Schmerz (DFNS), der unter anderen vom Bundesforschungsministerium und vom Unternehmen Pfizer unterstützt wird. Innerhalb dieses Netzwerks wird bei Patienten mit neuropathischen Schmerzen der Schmerzcharakter mithilfe einer Testbatterie, der quantitativen sensorischen Testung (QST) detailliert erhoben.

„Insgesamt werden pro Patient über 500 einzelne Faktoren ermittelt“, sagte DFNS-Sprecher Professor Thomas Tölle aus München. Bei knapp 1500 Patienten mit neuropathischen Schmerzen unterschiedlicher Ätiologie wurde das Testprogramm bisher durchlaufen. Jetzt gehe es darum, bestimmte Schmerztypen abzugrenzen, die von der Therapie mit einer bestimmten Substanz oder von bestimmten Kombinationstherapien profitieren.

Wahrscheinlich wird der Bedarf an Datenbanken noch größer

Tölle nannte ein Beispiel, wie so etwas aussehen könnte. Wird bei der quantitativen Testung ermittelt, dass die Patienten keine mechanische oder thermische Schmerzschwelle mehr haben, ist das ein Hinweis auf einen möglichen Verlust peripherer Schmerzfasern: „Auch wenn die gleiche Erkrankung zugrunde liegt, würden wir diese Patienten anders behandeln wollen als jene, bei denen die Peripherie noch intakt ist“, so Tölle.

Was dieses „anders“ aber genau heißt, das können die Experten im Moment noch nicht sagen. Innerhalb des DFNS sind Studien begonnen worden, in denen Arzneien wie Pregabalin (Lyrica®), Amitriptylin, Carbamazepin und Opiate allein oder kombiniert genutzt werden. Erste Ergebnisse dieser Untersuchungen erwarten Tölle und seine Kollegen in zwei bis drei Jahren.

Schon heute aber zeichnet sich ab, dass wahrscheinlich größere Patientendatenbanken nötig sind als jene, die das DFNS alleine stemmen kann, um wirklich valide Therapieempfehlungen zu generieren.

Für gute Daten sind bis zu 5000 Patienten erforderlich

Deswegen treffen sich die deutschen Neuropathie-Experten derzeit mit Kollegen aus anderen Ländern, um sich international zu vernetzen. „4000 bis 5000 Patienten sollten es sein, um gute Daten zu haben“, schätzt Tölle. Die Anstrengung könnte sich lohnen: „Bisher sind mindestens zwei von drei Nervenschmerzpatienten therapeutisch schlecht versorgt“, sagte Professor Troels Jensen, der Präsident der Internationalen Gesellschaft für das Studium des Schmerzes (IASP).

STICHWORT   QST

Bei der Quantitativen Sensorischen Testung (QST) geht es darum, den Schmerzcharakter bei Patienten mit neuropathischem Schmerz exakt zu erfassen. So wird mit Pinsel und Wattebausch die Schwelle für Berührungswahrnehmungen standardisiert ermittelt. Feine Nadeln dienen der Erfassung der Schmerzschwelle. Außerdem geht es um die Reaktion auf Wärme, Kälte, Druck und Vibration. Eines der Ziele des DFNS ist ein QST-Schnelltest für den Hausarzt, mit dem der genaue Schmerztyp im Praxisalltag rasch ermittelt werden kann. (gvg)